Das ist nicht Tschechien. Ganz im Gegenteil. Das ist Zwenkau. Meine Geburtsstadt und alte Heimat. Das ist der alte Baggersee an dem ich als Kind und Jugendlicher schon einige Abende und Nächte gesessen habe, meine ersten Erfahrungen mit Alkohol und anderen Substanzen machte, mit Freunden und falschen Freunden gesessen und gesungen habe. All das ist schon 15 und mehr Jahre her, und nun sitze ich wieder hier.
Eigentlich wollten wir uns gestern Morgen in den Flixbus nach Dresden setzen, von dort über’s Erzgebirge nach Tschechien radeln und bis Montag über Karlovy Vary, Oberwiesenthal und Chemnitz wieder zurück fahren, aber es kam natürlich anders. Es kommt immer anders. Tom, mein Mitfahrer für diese Tour, meldet ein paar Tage vorher an dass er krank ist und nicht weiß ob er rechtzeitig wieder gesund wird. Also stornieren wir unsere Bustickets und warten erstmal ab. Als Alternative machen wir uns eine einzelne Übernachtung aus die wir angehen wollen falls er fit genug ist.
Er ist.
Der Übernachtungsort ist Toms Idee und ich brauche keine Sekunde um zuzustimmen. Instantan schalte ich in den Guide-Modus und plane schon eine Strecke auf der ich Tom alles zeigen kann. Hier habe ich gewohnt, das war alles mal Tagebau, dort hab ich als Kind gespielt, … Und auch für mich ist es interessant. Städte entwickeln sich weiter und die Städte der Tagebaugebiete um Leipzig erlebten in den letzten Jahrzehnten einen extremen Wandel. Von den dreckigsten Dörfern der DDR, hin zum Naherholungsgebiet. Meine Heimatstadt, in der ich morgens auf dem Weg zur Schule die Abraumbagger quietschen gehört habe, hat jetzt einen Jachthafen. Einen JACHTHAFEN!
Da wir für eine Nacht nicht so viel mitnehmen müssen, packe ich meinen Holzvergaser Ofen und den großen Topf ein. Einfach weil es mehr Charme hat als eine Gaskartusche. Brennmaterial findet man eigentlich überall. Und so sitzen wir nach sehr gemütlichen 40 Kilometern am See bei einem Radler und köcheln uns was. Um uns rum sind lauter Angler welche die Nacht nutzen wollen um, wahrscheinlich genau wie wir, einfach draußen zu sein. Unsere Nachtlager sind schon errichtet. Meine Hängematte hängt unter einem Tarp, Tom schläft wie immer auf dem Boden. Es sieht zwar nicht nach Regen aus, aber der Wetterbericht hat für morgen etwas anderes angekündigt.
Der Regen weckt uns. Nein, stimmt gar nicht. Der Regen lässt nur den Schlaf unruhig und weniger tief werden. Was uns weckt sind die Typen vom Angelverein die gerade wie aufgescheuchte Hühner um den See laufen und versuchen jeden zu verjagen den Sie treffen. Irgendwas mit Jugendangelwettbewerb… Jaja, wir räumen unser Angelzeug weg… Was? Die haben nicht mal bemerkt dass wir gar kein Angelzeug haben was wir wegräumen müssten. Ich schäle mich aus dem Schlafsack und hänge das Tarp etwas höher, dass wir drunter Frühstücken und packen können während wir den mittlerweile eingetroffenen jugendlichen Anglern (der eine Typ ist mindestens 30) zuschauen. Mittlerweile regnet es in Strömen und ich frage mich was einen dazu treiben muss bei diesem Wetter am See zu hocken. Es dauert ein paar Sekunden bis ich es merke und lachen muss.
Nach 2 Stunden und 3 Kaffee lässt der Regen so weit nach dass wir die Tarps abbauen und den Aufbruch wagen. Zuerst noch schnell einen Kaffee an der Tankstelle, dann noch beim Criterium Zwenkau vorbei schauen, welches zufällig heute stattfindet. Der restliche Rückweg ist ereignisarm. Schön gravellastig geht es an der Ostseite des Zwenkauer Sees entlang, durch die (wie immer) überflutete neue Harth bis nach Leipzig rein. Es war eine tolle Nacht, Toms Nase geht es schonviel besser und der Regen ist eigentlich auch gar nicht so schlimm. Die heiße Dusche nehme ich aber trotzdem gerne.
Nächstes Wochenende aber Tschechien. Diesmal wirklich.